Das TRABI Diskussionsforum ARCHIV |
|
Trabiklatsch » Generationsprobleme |
Autor | Thema: Generationsprobleme |
Deluxe
Beiträge: 14.007 |
Ich fühle mich bei trabi.de wohl. Durchaus wohl. Auch, wenn ich nicht auf Treffen im trabi.de-Zelt schlafe. Auch, wenn ich nicht mit jedem sofort gut Freund bin, nicht sofort mit jedem kritiklos die große Trabi-Liebe entdecken möchte. Ich bewahre mir gern meinen Stil und meine ganz persönlichen Traditionen. Und dazu gehören auch alte Freundschaften und Gewohnheiten, die abzustellen oder zu ändern ich in keiner Weise bereit bin. Oft stellte ich in letzter Zeit fest, daß ich in Foren-Diskussionen, die unsere Vergangenheit betreffen, nicht ernst genommen werde. Und zwar nicht nur von Leuten älterer Generationen, sondern vielmals auch von Leuten meiner eigenen Altersgruppe. Im Klartext: man hält mich aufgrund meines Alters nicht für in der Lage, die DDR und die gesamte deutsche Nachkriegsgeschichte zu beurteilen und zu bewerten. Das an sich wäre mir ja noch egal. Leider aber muß ich mir Kommentare gefallen lassen, die mir mitteilen, mein gesamtes Wissen beruhe auf Nachplappern und hätte mit eigenen Erfahrungen nichts zu tun. Ich lasse mir (nach fast 23 Jahren, Abitur mit Schwerpunkt Geschichte und einem kurz vor dem Ende befindlichen Hochschulstudium)sagen, daß ich zu dumm gewesen bin, etwas mitzukriegen und zu dumm bin, aus der jetzigen Perspektive Dinge zu empfinden, zu beurteilen. Das stimmt mich traurig und macht mir manche der hier Schreibenden nicht gerade sympathisch. Im Folgenden möchte ich ein paar Dinge feststellen, die zum einen mir persönlich am Herzen liegen, zum anderen aber vielleicht einigen meiner Altersgenossen etwas Solidarität vermitteln können. Ich bin geboren am 06. Oktober 1979 in Karl-Marx-Stadt. Einen Tag später feierte die Deutsche Demokratische Republik ihr 30jähriges Bestehen. Daraus folgt, daß ich in der Zeit der großen Umbrüche 1989 gerade einmal 10 Jahre alt war. Mit 10 Jahren hat man weder ein vollendetes Weltbild noch die Möglichkeit, Dinge objektiv zu betrachten. Und politische Dinge, gesellschafts-evolutionäre Sachverhalte gleich gar nicht. (Man hat übrigens auch keinerlei Möglichkeit, Dinge zu bewahren, denen man sich später sehr verbunden fühlt. Trabis zum Beispiel...) Meine erste Fahrt im Trabant erfolgte einige Tage nach meiner Geburt in Opas 71er Limousine und betraf den Weg nach Hause. Seitdem ich denken (mich erinnern) kann (also ab etwa 1983) bestimmte der Trabant mein Bild vom Auto. Wenn das Wort Auto fiel, war vor meinem kindlichen geistigen Auge sofort ein pastellblauer Trabant zu sehen. Das ist bis heute so geblieben und wird sich vermutlich auch nie ändern. Ich komme aus einer Familie, in der immer offen über sämtliche Dinge gesprochen wurde. Frühstückstisch-Diskussionen meiner Eltern habe ich vom ersten Tage an mitbekommen. Mein Vater war seit den 80ern Kabarettist. Politisches Kabarett immer an der Grenze zur Illegalität. Da nahm man kein Blatt vor den Mund. Und zu Hause gleich gar nicht. Gleichzeitig sind meine Eltern studierte Pädagogen. Sie verstehen es also, Kindern Dinge zu erläutern und verständlich zu machen. Und das haben sie bei mir und meinen Geschwistern vom ersten Tage an gemacht. Auf jede Frage gab es eine kindgerechte Antwort. Und ich hatte viele Fragen. Denn schließlich liefen sämtliche Nachrichtensendungen (Ost- und Westsender im Radio und Fernsehen) in meiner Anwesenheit. Und ich habe vieles nicht verstanden. Aber ich habe gefragt!!! Und ich bin meinen Eltern dankbar, daß sie mich so am Leben teilnehmen ließen und daß sie mir erklärt haben, was immer ich wissen wollte. 1987 bekam mein Vater seinen ersten (und einzigen) Trabant Kombi. Sonderwunsch mit einigen bescheidenen Sonderwünschen wie Kopfstützen und Heckscheibenheizung. Und als die Wende kam, saß ich als kleiner Steppke mit vor dem nagelneuen Farb-Fernseher Marke RFT Color 40 (seit 1969 gab es bei RFT Staßfurt zu jedem runden DDR-Geburtstag einen neuen Farbfernseher und 1989 war für uns auch mal einer übrig für fast 7000 Ostmark -*schüttel*) und betrachtete als Thälmannpionier mit entsprechender schulischer Beeinflussung die Szenerie. All die bunten Geschenke (die sich kurze Zeit später als Billig-Werbegeschenke der Firmen unserer Westverwandtschaft entpuppten) aus den seltenen Westpaketen wurden plötzlich tägliche Wirklichkeit. Wir fuhren hin. Ich war begeistert und hielt Fabriken für Hotels. Ich aß Lila-Pause und Überraschungseier, kaufte mit Mutti Lego-Kästen und fand alles ganz toll. Wie alle Kinder. Und (das wissen wir jetzt nach 13 Jahren) wie viel zu viele Erwachsene. Die Wiedervereinigung kam, ich war 11 und ab sofort wuchs ich als Kind der Bundesrepublik auf. Trotzdem aber als Kind des Ostens! Doch irgendwann begann ich mich für Geschichte zu interessieren. Ich verschlang alles, was ich an Literatur über die deutsche Geschichte kriegen konnte. Vornehmlich deutsche Nachkriegszeit und die Entwicklung in der DDR. Und ich löcherte meine Verwandten und Bekannten mit Fragen nach persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen. Irgendwann wurde dann ein Abitur geschrieben und ich war plötzlich 18. Ein Führerschein wurde gemacht und aufgrund finanzieller Situation und netter Kindheits-Erinnerungen ein Trabant gekauft. Gegen das allgemeine Kopfschütteln der Verwandtschaft, die bis 1992 selber die Trabis gefahren war und die meine Trabi-Macke bis heute nicht begreift. Das war 1997. Den Trabi habe ich bis heute. Und im Gegensatz zu den Vorfahren fahre ich ihn freiwillig... Und mit diesem Fahrzeug begann etwas, was vorher nicht abzuschätzen war. Es entbrannte die Leidenschaft für das Auto. Und nicht nur dafür. Ich verschlinge bis heute jedes mir erreichbare Dokument. Ich bastle an einem Archiv, das so vollständig wie möglich sein soll. Eine Heidenarbeit. Mittlerweile sehr geld- und zeitaufwendig. Und auch Werke wie das Kapital und ähnliches habe ich mir zu Gemüte geführt. Natürlich immer von der Position des jungen Erwachsenen, der keine persönlichen Erfahrungen mit der versuchten Umsetzung dieser Visionen hat. ABER: Ich sehe absolut nicht ein, daß ich mich jetzt nur aufgrund meines Alters beschimpfen lasse. Nicht von Leuten, die seit 25 Jahren kein Geschichtsbuch mehr in der Hand hatten. Und gleich gar nicht von Leuten, die genauso alt sind wie ich und ihre eigene Biographie (zu oft ohne eigene Erlebnisse und Diskussionen) auf mich projizieren. Ich kenne selber viele Gleichaltrige, die nichts aber auch GAR NICHTS mehr wissen. Auch Dinge, die ich als 10jähriger gesehen und gehört habe. Und an die ich mich erinnere. Diese Frechheit nehme ich mir heraus. Ich bin so vermessen, mich an eigene Erlebnisse zu erinnern. Merkt Ihr was? Ich hoffe es... Mag sein, daß mich jetzt alle für einen arroganten Schnösel halten. Aber es tut mir leid. Dinge, die ich trotz des Kindesalters mitgekriegt habe, werde ich nicht verschweigen. Wer damit nicht leben kann, wer sich in seiner Altersweisheit beleidigt fühlt, sollte sich mit mir nicht unterhalten. Und wer das Pech hat, meiner Generation anzugehören und keine diskussionsfreudigen Eltern gehabt zu haben, dem kann ich leider auch nicht helfen. Aber ich lasse mich nicht von diesem Personenkreis beleidigen. Ich hatte nie Eltern, die sich uneingeschränkt zur DDR bekannten. Aber sie haben auch 1989 nicht kritiklos Hurra gebrüllt, als wir auf Westkurs gingen. Die kommenden Probleme haben sie mir schon 1989 erklärt. Und mittlerweile bin ich in einem Alter, in dem ich mir das Recht nehme, mir eine eigene Meinung zu bilden. Auch zu Dingen der Vergangenheit. Und gerade zur DDR. Und da ich mit dem derzeitigen Gesellschaftssystem absolut nicht zufrieden bin, erlaube ich mir auch, die sozialistische Idee grundsätzlich gut zu finden. Nicht ihre Umsetzung in der DDR, aber die Idee an sich. Genauso, wie Marxens Analyse des Kapitalismus 100prozentig richtig ist. Die Analyse, aber nicht unbedingt sein Alternativorschlag!!! Lernt bitte, diese zwei Dinge zu unterscheiden!!! Leider wird das oft nicht begriffen. Und da viele mit geilen Klamotten, mehreren Trabis(Zitat einer Teilnehmerin des supertrabi-Forums ), Reisefreiheit und all den Dingen die es jetzt gibt, zufrieden sind, wird man mich auch für diesen Beitrag wieder abbürsten bis zum Gehtnichtmehr. Mir genügen diese Dinge aber trotzdem nicht. Freiheit, die ich mir nicht leisten kann, weil das System mich nicht läßt, taugt in meinen Augen nichtmal das Papier, auf dem sie lügender Weise gedruckt wird. Und es komme mir bitte keiner mit Arbeit, Freiheit und individuellen Möglichkeiten. Alles Käse. Weil unser Land einer herrschenden Klasse von Bankern und Konzernmanagern gehört und diese Leute auch die Politik bezahlen. Und zwar, ohne Werte zu schaffen, sondern mit Aktien- und sog. Wertpapier-Handel. Zu Deutsch: es gibt unser Geld für die, die den ganzen Tag Wind um die Ecke schaufeln! Und noch deutlicher: Auch der, der eine Arbeit hat und für diese Arbeit einigermaßen bezahlt wird, wird ausgebeutet. Weil die Arbeit, die er leistet, mehr wert ist als der Betrag, den er dafür erhält. Denn die Differenz geht an den Eigner der Produktionsmittel. Und an den Staat, der unter dem Deckmantel der Mehrwertsteuer (mit der angeblich der Mehrwert des Produkts gegenüber der Entlohnung des Arbeiters, der es herstellt, gesellschaftlich-finanziell ausgeglichen werden soll) etwas von Gerechtigkeit faselt. Details kann man hier leider nicht ausbreiten. Ihr könnt das glauben oder nicht. Ihr könnt mich für meine Meinung auch beschimpfen. Ändern wird sich an den Fakten aber nichts. Im Gegenteil: die, die bei uns das Sagen haben freuen sich über jeden, der sich mit ein paar phantasievollen Sonderangeboten und geilen Klamotten zufrieden gibt. Denn jeder Wähler, dem man das Denken abgewöhnt hat, ist ein sicherer Wähler. Er merkt nicht, wie er betrogen wird, läßt sich lustig weiter ausbeuten und macht ganz bestimmt keine Revolution. Der bequemste Bürger ist der dumme Bürger, mit dem man alles machen kann, weil er nichts, aber auch gar nichts merkt. Solange er was zu Essen und einen Fernseher und eine C&A-Filiale in der Nähe hat. Es ist so abscheulich und gräßlich und niemand merkt es!!! Nein, man nölt lieber Leute wie mich voll, weil sie sich mit 22 Gedanken über Dinge der letzten 50 Jahre machen. Übrigens (als Randbeispiel): all Ihr, die Ihr mich kritisiert, habt doch sicher eine Meinung zum Nazi-Regime, zum 2. Weltkrieg, zum Völkermord an Juden und den sogenannten Nicht-Ariern. Zu KZs und Ghettos, zu Arbeitslagern und Kriegshetze. Habt Ihr damals alle schon gelebt? Macht Euch jemand Eure eigene Zurechnungsfähigkeit zu diesem Thema streitig? Seht Ihr also laßt auch Leuten wie mir ihre Stimme und macht nicht den Fehler, den die alten Generationen bis heute gern machen: den jungen Dummheit unterstellen und die eigenen Fehler vertuschen. Das ist schädlich für uns alle. Auch ich übertreibe es sicher mitunter. Aber besser als Schweigen oder alles toll finden ist es allemal, finde ich. Und ich weiß, daß ich Freunde wie standard habe, die mich trotz 15 Jahren Altersunterschied ernst nehmen und die mich verstehen. Und mit denen ich Abende lang diskutieren kann, ohne ständig Generationsunterschiede vorgebetet zu bekommen. So, das war wohl einer der längsten Beiträge in der Geschichte von www.trabi.de, aber es brannte mir auf der Seele. Und schließlich ist die Klatschspalte ja für so was da, oder? Euer Deluxe, P.S.: ein wenig Alkohol hatte ich beim Schreiben dieses Beitrages auch intus, aber ich habe ihn nochmal überarbeitet, als ich stocknüchtern war...
|
Zoni
Beiträge: 3.538 |
Du hast recht es herrscht das KAPITAL! Das hat Karl Marx schon im vorletzten JH erkannt! Heutzutage ist die Freiheit ans Kapital gekoppelt und dies finde ich moralisch und gesellschaftlich sehr bedenklich.
|
pwb601
Beiträge: 3.903 |
Meine Hochachtung, Deluxe, dem ist nichts hinzuzufügen. -- Benedetto Croce [Bearbeitet von pwb601 (28-05-2002 - 13:30)] |
Trabbifahrer
Beiträge: 587 |
sehr schön! ich bin gerührt ...und gebe Dir Recht (mit meinen 26 Lenzen).
|
trabi
Beiträge: 2.162 |
deluxe, ich füge dem nichts hinzu, ich stelle mich hinter diesen beitrag. wen mehr leute so denken würde wie du hätte dieses land eine chance.. (*sülz* ich meine das vollkommen ernst!) auch ich kenne das phänomen das ältere mitbürger mir vorwefen nicht urteilen zu können.. sogar studienkollegen meines alters die erstaunlicher weise im tiefsten bayern aufgewachsen sind behaupten ein besseres bild der ddr zeichnen zu können *wunder*... in diesem sinne, und mit der hoffnung auf ein besseres europa für die zukunft, euer trabi (bj 1978) |
Zoni
Beiträge: 3.538 |
Mann kann sogar noch wieter gehen und sagen: Der angebliche SOZIALSTAAT ist keiner da die AL Versicherung etc. nur zum Schutz der Kapitalisten dient denn. 1. Zahlen wir Arbeitnehmer die Beitraege selber ein 2. Gebe es keine AL versicherung und die Leute haetten kein Geld mehr wuerde Deutschland schon lange einen 2 Maschinensturm haben! Aber da es ja einen Arbeitslosen noch verhaeltnismaessig gut geht macht der sich keine Gedanken ueber das System und ist als potentieller Revolutionaer ausgeschaltet |
das moss
Beiträge: 7.651 |
Deli gebich recht und Zoni ist ein Revoluzzer! Nein mal im ernst, Deli hat schon recht, ich sehe das änlich. Wir haben vielleicht den Vorteil, eben aufgrund unseres Alters die Auswüchse beider Systeme entweder durch erlebtes oder durch erlesenes mehr oder weniger beurteilen zu können. Wir haben widerum genug Abstand zur klassischen DDR um auch etwas unvoreingenommener beurteilen zu können, wir waren eben noch nicht voll eingegliedert. In diesem Sinne, mit der Hand kapitalistisch winkend und mit dem Kopf noch ein wenig sozialistsch denkend Moss (Ach so, den Interessenten mal folgender Buchtip: Klaus von Dohnany An die Deutschen Demokratischen Revolutionäre |
Torsten S
Beiträge: 135 |
Glückwunsch zum gelungenen Posting, das inhaltlich meine volle Zustimung hat. Auch ich (24) nehme für mich in Anspruch, die DDR beurteilen zu können sowohl aus eigenem erleben als auch aus einer Reihe von Büchern, Pressebeiträgen und Fernsehdokus. Daraus gibt sich natürlich für jeden eine individuelle Sichtweise abhängig von der Situation von Freunden und Bekannten. Ich selber habe auch das Glück ein sehr aufgeschlossenes und mir gegenüber auch zu "Ostzeiten" gut die damalige Situation vermittelndes Elternhaus zu haben. Außerdem habe ich rückblickend den Eindruck daß in der Zeit der Veränderungen 1989-90 auch Kinder von 11-12 Jahren (wie ich damals) sehr wohl interessiert die Geschehenisse aufgenommen haben, auch wenn nicht jeder Punkt in seiner Tiefe erfasst werden konnte. Und einen Vorteil hatte die politische Beeinflussung der Kinder schon in Kindergarten und Schule aus meiner Sicht auf jeden Fall, nämlich dass sie sich früher als heute mit Problemen beschäftigt haben oder beschäftigt wurden. Das ganz unabhängig gesehen vom Antrieb des Staates für diese Ausrichtung der Erziehung. Ich sehe die Situation der aus der DDR stammenden Leute im Alter von Anfang bis Mitte zwanzig sogar dahin gehen vorteilhaft, daß wir keinem der beiden Systeme zu eng verbunden sind, sondern zu beiden eine sehr sachliche Distanz haben. Die etwas älteren haben oft eine emotionalere Bindung zur DDR (positiv oder negativ lasse ich offen) und die etwas jüngeren kennen den "Arbeiter- und Bauernstaat" wirklich nur noch aus dem Kindergarten und vom hörensagen. Deluxe, danke fürs Thema! Auch solche Diskussionen sind nützlich. Torsten |
Beppo
Beiträge: 12.828 |
Ich habe die genannte Zeit auch bewusst erleben können (bin ich eigentlich älter als Moss ?? muß ich mal klären )und konnte mir ein eigenes Bild schaffen. Danke an Deluxe für diesen Beitrag, den sicher nicht jeder verstehen und/oder gutheissen wird, aber Respekt ! Wobei die Überschrift nicht unbedingt richtig sein muß, denn es gibt in jeder Generation alle möglichen Varianten von Bekloppten und vernünftig denkender Personen. Ich muß das wissen, denn theoretisch (aber NUR theoretisch) könnte so manche/r 18jährige/r Trabifahrer/in mein Nachkomme sein (na gut, praktisch wärs auch möglich ). |
standard
Beiträge: 19.357 |
Mir tränen leicht die Augen - ich weiß nicht, ob vom intensiven Bildschirmlesen oder vor rührender Begeisterung über dieses mal etwas anspruchsvollere Thema... Wir (Deluxe + ich) haben schon so manchen Abend über diesen Themenkreis diskutiert und waren uns zumindest insofern einig: Wie es zu Ostzeiten war, konnte es wohl nicht mehr weitergehen - vor allem ökonomisch. Aber wie es heute IST, kann´s auch noch nich der Weisheit letzter Schluß sein...Wo nur das große Geld regiert, bleiben solche Sachen wie Familie und menschlicher Umgang miteinander mehr und mehr auf der Strecke.Erfurt war ein grausames Beispiel, wie krank diese Gesellschaft schon ist.... Ich bin als Mittdreißiger jedenfalls froh, BEIDE Systeme ganz bewußt erlebt zu haben.Auch mein Vater war Genosse und hat nach jeder "Papageiversammlung" eine Stinklaune betreffs der Ignoranz der meisten Mitgenossen gehabt.So wurde auch vor uns Kindern zuhause nie ein Blatt vor den Mund genommen und somit bestand von jeher ein gesunder kritischer Abstand zum System,zugegebenermaßen ohne ernsthaft an der grundsätzlichen Richtigkeit des Weges zu zweifeln.Das Beste, was mir aus den Ostzeiten geblieben ist,sind (außer der Erinnerung an eine wunderschöne Kindheit + Jugend)meine 3 Zwickauer.Und so soll es bleiben! @Deluxe:MIR ist klar,daß Du durchaus weißt, wovon Du sprichst... |
CASI
Beiträge: 1.551 |
Danke, Deluxe, für diesen Eintrag, dem habe ich nix hinzuzufügen, und Mossis Eintrag kann ich auch nur zustimmen !!! - Es trifft den Kern !!! Ich habe eine sehr schöne Kindheit im Westen dieses Landes gehabt, und möchte auch diese nicht missen. Von meinem Eltern, die zwar weder diplomiert sind, oder sonstige "Würden" tragen habe ich aber von Kindheit an eingetrichtert bekommen, immer den "Menschen" zu sehen, und mich nicht an "Dingen" hochzuklammern, die "Andere" haben, oder auch nicht... - Das war als "Kind" in einer kapitalistischen Gesellschafft nicht immer einfach, aber im Nachhinein war es gut Den ersten Kontakt zur damaligen DDR hatte ich im Jahr 1985, wo ich das erste mal nach Berlin (West) gereist bin. - Diese Reise war schockierend !!! - Ich kannte zu der Zeit schon einige (Westeuropäische) Grenzen, aber das was ich dort gesehen habe, hat mich schlicht umgehauen... - Ich konnte im zarten Alter von 14 Jahren einfach nicht glauben, das es so etwas gibt... - Nachdem diese Grenze passiert war, und wir den ersten der dünn gesääten Rasthöfe angesteuert haben, hab ich aber festgestellt, das es auch Leben in diesem Land gibt, und das zwar auf andere Weise, aber keinesfalls schlecht. Es war halt alles "anders", und das machte mich neugierig. Wieder zu Haus angekommen, wurde zuerst einmal die Hausantenne in Richtung "Osten" gedreht, um vielleicht mal ein wenig über dieses "merkwürdige" Land zu erfahren... (unter anfänglichem Protest der Oldies, weil das "Dritte" nur noch mit Schnee zu empfangen war...) Über den Schnitzel Ede hab ich mich köstlich amüsiert, aber nach einer gewissen Zeit, hab ich festgestellt, das auch "Kennzeichen D" genauso zum Wegbrüllen war... - Propaganda auf beiden Seiten... Irgendwann kam dann die "Wende" - Ein freudiges Ereignis ! - Im Januar 1990 war ich das erste mal im richtigem "Osten" - mit gemischten Gefühlen, wusste ich doch nicht, was mich dort erwartet... Nachdem ich die Marktschreier, die an jeder Ecke irgendwelchen (West)Ramsch verscheuerten mit "Ignoranz und blöden Sprüchen" gestraft hatte, fühlte ich mich recht schnell wohl, wurde ich doch überall freundlich aufgenommen. - Nun ja, an einige Dinge musste ich mich gewöhnen, z.B. das es absolut üblich ist, vor dem Betreten einer Wohnung, die Schuhe auszuziehen... - Ich hab´s bis heute noch nicht ganz drin, kann es aber verstehen, da ein Teppich (Auslegeware) ja auch nicht ganz einfach zu bekommen war... Nun hab ich auch schon nen halben Roman geschrieben - und bin noch gar nicht zum Kern der Sache gekommen, wollte halt nur auch mal die "andere" Seite darstellen... Wir können uns über Ost-West noch Jahrelang die Köppe breitkloppen, auch über die Generationen... - Das in diesem Land einiges ganz gewaltig schief läuft, ist mir völlig klar !!! - Wir können das als Wähler leider nur recht eingeschränkt beinflussen, aber wir sollten zumindest in der Trabi Gemeinschaft an einem Strang ziehen, um genau dieses Ost-West Geplärr endlich der Vergangenheit anhängen zu können !!! Ich kann den dauernd "Besserwissenden Wessi" genausowenig leiden, wie den "ewig plärrenden Ossi" - Ich sehe die Menschen !!! - Dabei ist es mir egal, woher jemand kommt !!! Was ich nicht riechen kann, ist Ignoranz, und "Selbstdarsteller" - aber das hatte wir ja nun schon ich diversen anderen Postings hier
|
Laessig
Beiträge: 257 |
Alle Achtung Deluxe....Ganz meine Meinung bis auf die Ausführung über den real existierenden Kapitalismus...Ich bin auch erst (fast) 29 und meine Tochter wird morgen 9 Jahre.Und das ist unsere Chance,erzieht eure Kinder die ihr habt und noch bekommen werdet in die richtige Richtung,das wir wieder weg kommen von der Konsumgesellschaft,von Gewalt,Lüge,Hass und allen anderen besch... Dingen. Zurück zu deutschen Dugenden(ohne rechtsextrem zu meinen)Wie Treue,Anstand,Ehrlichkeit.Wir sind diejenigen die die nächste Generation formen. Tschüß Laessig |
Deluxe
Beiträge: 14.007 |
Also, ich muß sagen, daß ich so große Resonanz und v.a. so viel Zustimmung nicht unbedingt erwartet hatte. Ich finds aber toll, sich hier auch mal etwas ausführlicher zu solchen Dingen zu äußern. Macht Spaß. Auch CASIs westliche Sicht und seine Kindereindrücke vom für ihn exotischen Osten sind sehr spannend. Darüber tät ich mich gern nochmal ausführlich unterhalten. Ganz nebenbei: wollte das Diplom meiner Erzeuger keinesfalls in den Vordergrund schieben. Mehr den Umstand, daß sie Lehrer sind und aus diesem Grund Dinge den kleineren Menschen (heißen wohl "Kinder"... ) genz gut erklären können. Inner Partei sind se nie gewesen, nachdem mein Vater das seinem ständig wegen Parteieintritt nervenden Direktor mal SEHR deutlich gemacht und abgelehnt hat. Naja, und als es dann mit dem Politkabarett losging stand er eh auf der Seite derer, die man ständig für Gegner und Konterrevolutionäre hielt und entsprechend überwachte... |
|