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Autor Thema: 8,2milliarden$oderWie pleite war die DDR?
standard

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Bin heute bei der Morgenlektüre in der MAZ auf einen interessanten Artikel von A.Steiner (Dozent an der Uni Potsdam, Autor "Von Plan zu Plan-eine Wirtschaftsgeschichte der DDR" /DVA München) gestoßen:"Gründlich verplant". Dieser handelt von der Wirtschaftsmisere der DDR und wie es dazu kam. Interessant folgende Passage: "...Die polit. relevante Außenverschuldung in konvert.Devisen belief sich auf 8,2Milliarden$. Das entsprach `89 175% der in freien Devisen abgewickelten Exporte und etwa einem 5tel des `89 erwirtschafteten Bruttoinl.produktes. Diese Größenordnung war, quantitativ betrachtet, durchaus beherrschbar und insofern war die DDR im engeren Sinne (noch) nicht "pleite". ..." Ich kann mir nicht helfen - irgendwie erscheint diese Summe lächerlich gegen die unaussprechlichen Zahlenmonster von Schulden, welche die BRD auch ohne Wiedervereinigung bis `89 schon auf dem Kerbholz hatte.
kupy

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Sehe ich auch so. Und spontan fällt mir dazu der Spruch ein, den ich mal an einem Trabi gesehen habe: "Der Kapitalismus hat nicht gesiegt! Er ist nur übriggeblieben."
Deluxe

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Das ist ja interessant. Und wieder so ein Punkt, der die Zweifel aufkeimen läßt an der sogenannten Überlegenheit der Marktwirtschaft neuerer Art.

Wirklich spannend wirds aber, wenn auch des Kapitalismus' letztes Stündlein geschlagen haben wird.
Aber bis dahin müssen erstmal noch viele begreifen (v.a. Unternehmer aus dem Westen), daß wir bis 1989 eben KEINEN Kommunismus hatten, wie sie immer behaupten.

pwb601

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Dazu das Phänomen, daß die Entwicklung der Wirtschaft nach 1973 in fast allen Bereichen in der DDR besser (!) verlaufen ist als in der BRD ... ein interessantes Phänomen, das von der westlichen Seite aus gerne mal absichtlich übersehen wird
Deluxe

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Hier mal der ganze Text. Ist zwar ziemlich lang, aber kann ja nicht schaden:

quote:

Gründlich verplant

ANDRÉ STEINER

"Überholen ohne einzuholen" war für den SED-Chef Walter Ulbricht ein durchaus ernst gemeinter Anspruch, mit der Planwirtschaft die Bundesrepublik in Produktivität und Lebensstandard zu übertrumpfen. Tatsächlich blieb der ostdeutsche Teilstaat auf diesen Feldern immer weiter zurück. In der DDR selbst wurden bis zu ihrem Ende die ungünstigen Ausgangsbedingungen als der entscheidende Grund für die evidenten Rückstände zur Bundesrepublik benannt.

In der Tat verfügte das Gebiet der späteren DDR über ein beachtliches Industriepotential, das allerdings teilungsbedingt erhebliche strukturelle Defizite aufwies. Es war ungenügend mit Rohstoffen ausgestattet, aber potentiell ein agrarisches Überschussgebiet. Die Wiedergutmachungsleistungen an die Sowjetunion belasteten die Wirtschaft enorm. Mittel- und langfristig entzogen sie der ostdeutschen Volkswirtschaft nicht nur Substanz, sondern verschoben auch die Industriestruktur in nachteiliger Weise. Jedoch wären diese Defizite zumindest teilweise über den Außenhandel auszugleichen gewesen. Dieser Weg wurde dadurch blockiert, dass im Kalten Krieg eigene Autarkiebestrebungen kombiniert mit westlichen Embargomaßnahmen zur Abschottung von den Weltmärkten führte. Auch tendierte die in der DDR etablierte Planwirtschaft dazu, außenwirtschaftliche Einflüsse gering zu halten.

Wirtschaftliche Basis der SED-Macht

Die Planwirtschaft sowjetischen Typs diente zunächst vor allem dazu, die Reparationsforderungen der UdSSR zu erfüllen und die unmittelbare Not der Nachkriegszeit zu bewältigen. Nicht zuletzt wollte die SED mit der Errichtung der Planwirtschaft ihre Macht durchsetzen. Voraussetzung dafür waren die Enteignungen in der Landwirtschaft und der Industrie.

Bei den Enteignungen stand zunächst im Vordergrund, die Verantwortlichen für Naziregime und Krieg zu bestrafen. Gerade die Kommunisten waren aber im Zusammenhang mit den Enteignungen mehr und mehr auch von der Idee beseelt, die Wirtschaft nach sozialistischen Vorstellungen zu transformieren. Nach der tiefsitzenden Erfahrung mit der Weltwirtschaftskrise 1929/32 und ihren sozialen und politischen Folgen sollten - so Ulbricht 1947 - mit der Planung "die Voraussetzungen für die spätere Verhinderung der Krisen geschaffen" und "die Arbeiterschaft von der Furcht vor Massenarbeitslosigkeit befreit" werden.

1948 begann die SED, diese Umgestaltung stärker voranzutreiben: Mit dem Übergang zur längerfristigen und direktiven Planung sollte auch die Wirtschaftsstruktur so verändert werden, dass die DDR eingebettet in den Ostblock zunehmend als eigene Volkswirtschaft arbeiten konnte. Dabei lag die Produktivität in der DDR Anfang der fünfziger Jahre bereits ein Drittel hinter der der Bundesrepublik zurück, was nicht nur den Demontagen und Reparationen geschuldet war. Vielmehr lag es an der Planwirtschaft, die den Ausgleich der Strukturdefizite über den Außenhandel verhinderte, vor allem aber erhebliche Verluste an unternehmerischem Potential und fachlicher Kompetenz verursachte. Darüber hinaus war die Planung oft von Inkompetenz und Chaos geprägt.

Das betrachtete man freilich als Kinderkrankheit, denn grundsätzlich galt in der SED-Spitze die Überzeugung, dass mit der Planwirtschaft sowjetischen Typs eine höhere Produktivität zu erzielen sei als im Kapitalismus und die DDR schließlich wie ein Magnet auf den Westen wirken könne - eine Illusion damaliger kommunistischer Deutschlandpolitik. Nachdem die deutsche Teilung immer mehr festgeschrieben schien, wurde aber mit dem Beschluss über den "Aufbau des Sozialismus" von 1952 die sozialökonomische Transformation nochmals forciert. Dieser Prozess überforderte nicht nur die Wirtschaft, sondern führte auch in den Aufstand am 17. Juni 1953 - der ersten größeren Herrschaftskrise des Ostblocks.

Den Glauben an die Überlegenheit der Planwirtschaft erschütterte das nicht: Alle Teilgebiete des Wirtschaftens wurden nach und nach von Plänen erfasst. Damit entstand das "klassische" System der Planwirtschaft sowjetischen Typs mit all seinen Defekten. Solange die extensiven Wachstumsfaktoren noch nicht voll ausgenutzt waren, gelang es mit diesem Modell, hohe Zuwachsraten zu erreichen. Gleichwohl blieben Produktivität und Konsum im Vergleich zum Westen weiter zurück. Um endlich die sich schon im Sputnik - er sollte nach Meinung eines DDR-Funktionärs "in vielen westlichen Hirnen die dort herrschende Dämmerung beseitigen" - manifestierenden Vorzüge des Sozialismus zu beweisen, beschloss die SED-Spitze 1958 in einer vermeintlich günstigen Situation, den Systemkonkurrenten in Deutschland bis 1961 einzuholen und zu überholen.

Diese Aufgabe war von Anfang an irreal und überanstrengte ein weiteres Mal die ökonomischen Möglichkeiten. Verschärfend wirkte hierbei, dass zugleich die Landwirtschaft weitgehend und das Handwerk in hohem Maße kollektiviert wurden. Diese Offensive führte schließlich 1960/61 in eine neue Wirtschaftskrise. Vor dem Hintergrund der verschärften Spannungen zwischen Ost und West in der Berlin-Krise trugen auch diese wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Ansteigen der während der gesamten fünfziger Jahre nicht zu übersehenden "Republikflucht" in den Westen bei. Mit dem Ziel, den Flüchtlingsstrom zu stoppen, die ökonomischen Probleme zu entschärfen und ihre Macht zu stabilisieren, beschloss die SED-Spitze den Bau der Berliner Mauer.

Damit war aber die Krise nicht beseitigt. Nun nahm die SED-Spitze Kurs auf eine Wirtschaftsreform. Den Betrieben sollte mehr Eigenständigkeit eingeräumt werden, wobei die Zentrale jedoch nach wie vor dafür den Rahmen ebenso wie die wesentlichen Ziele vorgab. Zugleich bekamen monetäre Anreize ein größeres Gewicht. Allerdings blieb die Reform inkonsequent und es traten neue Schwierigkeiten auf, die letztlich im Zusammenhang mit einer weiteren Wachstums- und Technologie-Offensive eine erneute Krise 1969/70 nach sich zog, die sich vor allem auch in wachsenden Versorgungslücken im Einzelhandel zeigte. Diese gewannen infolge der Unruhen in Polen Ende 1970 eine besondere Brisanz, da zugleich in der DDR die Streiks und Diskussionen in der Bevölkerung zunahmen.

Vor diesem Hintergrund waren der Wechsel an der SED-Spitze von Ulbricht zu Honecker sowie der wirtschaftspolitische Strategiewandel vom "Überholen ohne Einzuholen" zur "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" 1971 zu verstehen. Honecker setzte darauf - so wie auch beim Planungssystem wieder strikt nach sowjetischem Vorbild - , die Bevölkerung mit ausgedehnter Sozial- und Konsumpolitik ruhig zu stellen, so dass daraus dann Anreize für eine Produktivitätssteigerung entstehen würden, um so die Konsumausweitung zu refinanzieren.

Diese im Interesse der kurzfristigen Systemstabilität gewählte Strategie war aber mittel- und langfristig kontraproduktiv, weil das Sozialprogramm - vor allem das aufwändige Wohnungsbauprogramm - nicht mit Anreizen zur Produktivitätssteigerung verbunden war. Sowohl die Konsumausweitung als auch andere Aufgaben wurden durch zunehmende Verschuldung im Westen finanziert, was die Entspannungspolitik der siebziger Jahre erleichterte. Gleichzeitig wurden aber Investitionen und Innovationsförderung eher zurückgestellt. Damit sank die Konkurrenzfähigkeit der ostdeutschen Produkte auf den Weltmärkten weiter, was ihre Exporterlöse schmälerte und damit tendenziell die Verschuldung steigerte.

Als die DDR 1977 mit der forcierten Entwicklung der Mikroelektronik versuchte, die Exportfähigkeit der eigenen Produkte wieder zu erhöhen, machte das weitere Mittel in beträchtlicher Höhe erforderlich, ohne dass dem ein schneller Nutzen gegenüberstand. Als dann auf den Weltmärkten 1973/74 und 1979/81 die Rohstoffpreise explodierten, erhöhte das auch den Aufwand für die DDR beträchtlich. Angesichts der bereits aufgelaufenen Verschuldung und der Verhängung eines westlichen "Kreditboykotts" gegen die Ostblockstaaten (nachdem Polen sich zahlungsunfähig erklärt hatte) rutschte die DDR 1981/82 in eine Schuldenkrise.

Aus dieser Situation befreiten die DDR die von Franz Josef Strauß eingefädelten Milliardenkredite aus der Bundesrepublik. Darüber hinaus wurden in der ersten Hälfte der achtziger Jahre mit bereits in den späten siebziger Jahren angelaufenen Sparmaßnahmen die Importe reduziert und die Exporte gesteigert, um die Verschuldung zu senken. Allerdings ging diese Außenwirtschaftspolitik weiter zu Lasten der volkswirtschaftlichen Substanz. Die Investitionen in ausgewählte Schwerpunktbereiche, wie das noch einmal intensivierte Mikroelektronikprogramm, nahmen den anderen Branchen die Mittel für Erweiterung und Erhaltung, ohne dass sie selbst zu durchgreifenden Produktivitätssteigerungen führten.

Die Versorgung für die Bevölkerung verschlechterte sich spürbar. Die von der SED in den achtziger Jahren propagierte Losung "Ich leiste was, ich leiste mir was!" klang vielen wie Hohn. Darüber hinaus verweigerte sich die SED-Spitze den Leitlinien sowjetischer Politik, nachdem dort der neue KPdSU-Chef die Perestroika von Gesellschaft und Wirtschaft auf die Tagesordnung setzte, weil man glaubte, das eigene System sei leistungsfähiger. Der "Sozialismus in den Farben der DDR" war durch ein "Weiter so" und Stagnation gekennzeichnet.

Die Verschlechterung der Lebenslage der Bevölkerung und die Uneinsichtigkeit der SED-Spitze im Hinblick auf Reformen waren neben anderem entscheidende Faktoren, die zu den Ereignissen des Herbstes 1989 führten. Mit dem Fall der Berliner Mauer im November 1989 änderten sich die wirtschaftlichen Bedingungen der DDR radikal: Aus einer relativ geschlossenen wurde zunehmend eine offene Volkswirtschaft.

Ende der achtziger Jahre machte die Verschuldung des Staates bei der eigenen Bevölkerung ungefähr die Hälfte der jährlichen Staatshaushaltsausgaben aus. Die politisch relevante Außenverschuldung in konvertiblen Devisen belief sich auf 8,2 Milliarden Dollar. Das entsprach 1989 175 Prozet der in freien Devisen abgewickelten Exporte und etwa einem Fünftel des im gleichen Jahr erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes. Diese Größenordnung war, quantitativ betrachtet, durchaus beherrschbar und insofern war wohl die DDR im engeren Sinne (noch) nicht "pleite". Allerdings konnte die Struktur der Verschuldung durchaus Probleme für die wirtschaftliche Stabilität der DDR aufwerfen.

Rückstand gegenüber der Bundesrepublik

Viel gravierender waren aber die bereits in den zurückliegenden Jahren aufgetretenen Schwierigkeiten, die erforderlichen Exporte in westliche Länder zu gewährleisten, da sich die internationale Konkurrenzfähigkeit der eigenen Produkte mehr und mehr verschlechtert hatte. Deshalb war abzusehen, dass es der DDR immer schwerer gefallen wäre, die für den Schuldendienst erforderlichen Devisen zu erwirtschaften. Die Produktivität der DDR lag an ihrem Ende etwa zwei Drittel hinter der der Bundesrepublik zurück. Die Vergrößerung des Rückstandes seit Anfang der fünfziger Jahre, wo er noch ein Drittel betragen hatte, war in erster Linie dem Wirtschaftssystem zuzuschreiben. Die Startbedingungen konnten dafür nur noch sehr vermittelt verantwortlich gemacht werden. Das eine Drittel, um die sich die Lücke erweiterte, gibt einen Eindruck von den dem System geschuldeten Wachstumsverlusten.

André Steiner, geboren 1959, ist Privatdozent an der Universität Potsdam und Leiter einer Forschungsgruppe am Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam. Am 16. Februar erscheint bei DVA in München sein Buch "Von Plan zu Plan - Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR" (280 Seiten, 19,90 Euro).


Porschekiller

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Nenene, der Deluxe. So lange Dinger zu lesen ist nicht so der Hammer. Ich lasse es diesmal auch.
Das ist doch mal wieder das beste Beispiel, daß die Menschen alles glauben, was sie zu glauben haben. Die DDR wird als arm in allen Sichtweisen hingestellt, damit kein Wessi über die "auserhalb unsrer BRD ist alles Scheiße"-Sichtweise nachdenken muß. Hat doch bisher sehr gut gefunzt. Die traurige Propaganda ist doch überall zu sehen. Das geht im Fernsehen los (seit der Wende Motzki, Harald-Schmidt-Show, TV Total, Ei verbibbsch,...). Einfach schlecht gemacht, keiner muß darüber nachdenken und wenn man dumm genug ist, kann man sogar noch darüber lachen. Ich jedenfalls habe die DDR als Kind und später als Jungpionier kennengelernt. Ich muß sagen, das war nicht schlecht. Jedenfalls hatten die Kinder ein geregeltes soziales Umfeld (Kinderkrippe-Kindergarten-Jungpioniere-Thälmannpioniere) und die Jugend hatte eine Perspektive (FDJ) und auch eine Chance nach der Schule. Im Fernsehen und in der Zeitung wurde man nicht nur verblödet und ich habe den Eindruck, die "Zonenkinder" haben mehr drauf, also höhere Allgemeinbildung, bessere Sprachkenntnisse (ich kenne Leute aus dem Ruhrgebiet - deutsche Eltern, also selbst Deutsche - die können nicht richtig deutsch sprechen, die reden tatsächlich mit einer Art Akzent, klingt ähnlich wie Erkan und Stefan) und besseres Sozialverständnis, da nicht nur das Ich-denken vorhanden ist.

Der beste Vergleich im Fernsehen ist Kinderfernsehen Ost - Kinderfernsehen West.

kupy

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Man muß bloß aufpassen, daß man nicht wieder in Ossi-Wessi-Klischees abgleitet oder alles Vergangene vergoldet oder alles andere verteufelt. Dann ist man nicht anders als das, worüber man urteilt. Kritisch bleiben, Leute! (nur so als Randnotiz )
Deluxe

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@Porschekiller:

Naja - hin und wieder ist es aber ganz nützlich, mal so lange Dinger zu lesen. Dadurch entdeckt man nämlich auch Zusammenhänge statt Einzelfakten...

Aber hast ja Recht: Bildschirmlesen ist unangenehm...

standard

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@kupy: Besser konnte man´s nicht sagen!
@porsche: Wie von den Vorrednern prinzipiell schon gesagt: wichtig ist immer die Betrachtung von BEIDEN Seiten der Medaille, um nicht in einseitige Polemik abzudriften. Mit dem "geregelten sozialen Umfeld" der Kinder und Jugendlichen gebe ich Dir Recht, dessen Fehlen führt weitgehend zu den extremen Auswüchsen an Gewaltbereitschaft und Kriminalität in unserer aktuellen Gesellschaft. Für die Jugend sehe ich die Perspektive seinerzeit allerdings weniger in der FDJ, als vielmehr in einem damals selbstverständlichen Einstieg ins Berufsleben über eine gesicherte Ausbildung (auch wenn´s beileibe nicht immer der Traumjob war). Kein Recht gebe ich Dir in Sachen Motzki - besser konnte man den verbohrten, von Vorurteilen zerfressenen West-Berliner (der auch nur eine Minderheit repräsentiert) eigentlich kaum darstellen. Oder wenn ich an seine "intelligente" Schwägerin aus Bonn zurückdenke..."brüll"
CASI

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Ich möchte bei dieser Diskussion auch einmal zu bedenken geben, das es im "westen" nicht immer so abgegangen ist, wie es zur Zeit der Fall ist.
In den 70´ern war hier sozusagen "Vollbeschäftigung". Wer arbeitslos war, hatte entweder keine Lust zu arbeiten, konnte dieses aus Gesundheitlichen Gründen nicht, oder hatte ein Pause weil er sich einen anderen Arbeitgeber gesucht hat. (Das hat auch früher nicht immer nahtlos geklappt )
Es gab genau 3 Fernsehprogramme und in diesen gab es ab 16.00 die Kinderstunde. Da liefen die "Rappelkiste",die "Sesamstraße" (nicht mit der heutigen zu vergleichen) der "Rosarote Panther", "Robby, Tobby und das Fliewatüt", etc. - Von Pokemons, Power Rangers, etc. war nichts zu hören und zu sehen.
Der normale Werdegang eines Jugendlichen bestand aus Schule (damals ging da noch die Post ab, aber umgekehrt proportional zu heute ), dann mit 14-16 Jahren in die Lehre (Der Azubi fegte noch !!) - Dann kam in manchen Fällen das Studium, oder aber ein relativ ruhiges Berufsleben.
Zum Thema, die Pütti´s können nicht sprechen, das unterschreibe ich Blanko - Nur muss dann auch so mancher Sachse nochmal zur Sprachschule

*Nur um mal dieser mythenbildung ein wenig entgegenzuwirken, es ist kein Problem des "Systems", sondern ein Problem der Leute, wie diese mit dem "System" umgehen.)

steppi

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...am besten mit unseren bayrischen Mitbürgern und vor allem denen aus dem Ländle!!!
Deor

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Wo Bayrisch doch erst zum erotischten Dialekt gewählt wurde...
Porschekiller

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@Deluxe: Meine Augen sind so schon nicht der Überhammer. So lange Texte werden die wenigsten hier lesen, vermute ich.

OK, ich würde die FDJ als einzige Organisation auch nicht sonderlich prickelnd finden, was momentan hier so abgeht, ist der absolute Misstand. Wenn sich Jugendliche versuchen selbst zu organisieren, werden ihnen Steine in den Weg gelegt, gefördert wird das ja sowieso nicht. Ich meine dabei nicht mal nur finanziell, sondern einfach mit Geben und Nehmen, also ihr bekomt ein leerstehendes Stadt-Gebäude auserhalb der Stadt und macht was draus oder so. In meiner alten Heimat Glashütte ging es sogar so weit, daß der Spielplatz abgerissen werden sollte, weil sich ein paar alte Schachteln (ich glaube, die arbeiten bei der Stadtvergewaltigung) über den Lärm aufregten. Und was passiert mit den Kindern in der Schule? Den Lehrern ist das Zusammenleben und die Leistungen in der Schule scheißegal, die Schulen an sich sind übervoll, die Lehrer viel zu alt und schlecht mit allem ausgestattet. Das geht mit dem Material los und hört bei den Rechten auf. Heutzutage darf ein Lehrer einem Schüler nicht mal mehr bei gröbster Widersetzung eine Scheuern. Währe in vielen Fällen sicherlich angebracht.
Und was ist, wenn die Kinder aus der Schule kommen? Fernsehen, Fernsehen, Fernsehen. Ob die Hausaufgaben gemacht werden (wenns überhaupt welche gibt), ist den Lehrern egal, wo die Leute rumhängen - den Lehrern egal, ob man mit 12 raucht, den Lehrern egal. Da währe mir die FDJ tausendmal lieber gewesen.

Deluxe

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Wobei man dem Artikel eins vorwerfen kann:

Zum einen behandelt er nur auf etwa 15 Zeilen das eigentliche Thema. Der Rest ist eine Kurzfassung der DDR-Geschichte.

Und zum anderen hat der Herr Professor vergessen, daß seine Rechnung nicht aufgeht, weil die Mark der DDR keine frei konvertierbare Währung war. Das heißt, daß den 8 Mrd. Devisen-Schulden kein ebenbürtiges Zahlungsmittel entgegenstand und damit auch kein Gegenwert...
Nach Zahlen wars nicht so schlimm, aber nach Finanzwirtschaft eben doch!

@porschekiller:
Schon richtig, aber den Erziehungskern haste nicht erwähnt: Eltern...

[Bearbeitet von Deluxe (12-02-2004 - 20:29)]

Zoni

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Ich wuensche mir keine DDR zurueck und ich mag auch diesen Staat nicht.
Wir haben 1990 die historische Chance verpasst eine NEUEN Staat zu schaffen. Stattdessen brach das Gegengewicht zum Kapitalismus weg und nun offenbart er sein grausames Gesicht.
Oder wie mein Vater immer sagt "Der Kapitalismus ist gar nicht so schlimm wie man es uns in der Schule beigebracht hat, er ist noch viel schlimmer "

In diesem Sinne
Waiting for revolution

standard

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@Deli, ich lese dort, daß die 8.2Mill.$ 1989 175% der in freien Devisen (also"Westgeld"/Dollar)
abgewickelten Exporte (also Warenlieferungen aus der DDR an eben damit zahlende Auslandskunden) entsprachen . Wieso also stand den Devisenschulden dann Deiner Meinung nach "kein ebenbürtiges Zahlungsmittel gegenüber" Zur Bezahlung der laufenden Kreditkosten sollten diese Einnahmen wohl - zumindest zu jenem Zeitpunkt - dicke ausgereicht haben. Sicherlich hätte es später irgendwann trüber ausgesehen...Ich denke schon, daß der Prof. seine Hausaufgaben halbwegs gemacht hat!
Zum Thema "Erziehungskern/Eltern": sicher auch ein Grund. Aber Fakt ist, daß in der DDR wohl doch ein Großteil der Erziehungsarbeit von gut aúsgebildeten und im Gegensatz zu heute am Wohl und Wehe ihrer Zöglinge sehr interssierten Pädagogen geleistet wurde - schon weil eigentlich grundsätzlich BEIDE Elternteile arbeiten gingen und die Kinder meist ganztags in Betreuung waren (Kinderkrippe/-garten, Schule und Hort). Trotz unbestrittener Rotlichtbestrahlung und leider auch teilweiser Militarisierung: es hat funktioniert!
Porschekiller

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Ja doch! Die Ellies werden nicht vergessen. Bei mir war es damals allerdings so, daß auch nach der Wende beide Elternteile arbeiteten (selbständig). Keine Angst, aus mir ist trotzdem was geworden.

Wenn ich mir jetzt aber mal die "Nachwendekinder" (ab 1989/90) angucke, fällt mir erschreckenderweise auf, daß es da viele gibt, die mit 12...14 Jahren immer noch reden wie 5...6 jährige, bzw. eine Rechtschreibung an den Tag legen, die mir die Zehennägel aufrollen lässt. Da sind meiner Meinung nach zum Großteil die Lehrer gefragt, die den Kindern das Lesen und Schreiben nun mal beibringen.

Deluxe

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@standard:
Vergiß nicht, daß die sog. "freien Devisen" am Ende auch nur geliehen waren. Wie willste das in Devisen umgesetzte Exportgut denn gegenrechnen, wenn die Stammwährung nicht konvertierbar ist???
Das funktioniert eben nicht, weil man konvertierbare und nicht konvertierbare Währungen nicht gegeneinander aufrechnen kann. Jeder Umtauschkurs ist ein künstlich herbeigeführter Kurs. Und deswegen bin ich der Meinung, daß die Rechnung nicht aufgeht.

Aber versteht mich nicht falsch: ich behaupte nicht, daß es mir jetzt besser gefällt...
Seitdem es den Konkurrenten Sozialismus nicht mehr gibt, langt der Kapital-Feudalismus den wir jetzt haben, unverblümt und enthemmt zu...
Und das ist zum Speien!!!

standard

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@deli: Irgendwie reden wir aneinander vorbei (oder ich bin zu doof ) Wenn heute ein Betrieb aufgebaut wird, geschieht dies i.d.R. auch immer auf Pump (Kredite). Der Betrieb verkauft dann seine Waren und bekommt dafür Geld - und damit bezahlt er seine Leute und zahlt seinen Kredit ab. Neue Investitionen werden i.d.R. auch wieder - zumindest teilweise - kreditfinanziert.
Zugegeben - die DDR war ein schlecht geführter VEB... Aber dennoch: ich verstehe die "in freien Devisen abgewickelten Exporte" als Verkäufe ins mit Dollar/Westgeld zahlende NSW (im Gegensatz zum "Tauschhandel", der mit den "Bruderstaaten" üblich war). Also kam doch dieses Geld sozusagen "cash" auf den (klammen) Tisch des Hauses und konnte u.a. die laufenden Kredite bedienen. Oder nich, oder wie, oder was...
Deluxe

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@standard:
Im Prinzip hast Du vollkommen Recht. Aber die Sache geht nur dann auf, wenn die im Betrieb produzierten Waren in frei konvertierbarer Währung abgerechnet werden UND dies in einem Wirtschaftsgebiet abläuft, das seinerseits wiederum auf frei konvertierbarer Währung basiert.
Wenn Du ein Wirtschaftssystem hast, dessen Währung nicht konvertierbar ist, wird der Devisenhandel sozusagen zu einer "Insellösung". Praktisch so eine Art Schattenwirtschaft (halt eben legal), die auf das erzielte Bruttoinlandsprodukt des restlichen Wirtschaftsgebietes (das ohne richtiges Geld) keine Wirkung hat und selbständig funktioniert, ohne Folgen (gleich welcher Art) für das Restgebiet zu haben.
So ähnlich wie die Schattenwirtschaft heute: die existiert zwar und die bringt auch Geld in bestimmte Taschen. Aber sie geht völlig an der großen Abrechnung vorbei und taucht nirgendwo auf. Bedeutet nichts anderes, als daß die damit erarbeitete und real existierende Wirtschaftskraft Null Bedeutung für die legale Wirtschaft hat. Und deshalb der legalen Wirtschaft absolut nichts nützt, bei der Bilanz. Wir kennen das ja von der Diskussion um die Schwarzarbeit, gell?

Heißt für den Fall DDR:
Wenn wir Maschinen in den Westen exportiert haben, bekamen wir Devisen dafür. Diese wurden ihrerseits wieder in andere Güter investiert, die dann am heimischen Markt (für Ostgeld) angeboten wurden oder anderweitig in der DDR "verbraucht" wurden, in der Industrie oder sonstwo.
Dieser ganze Handel hat aber auf das BIP der DDR keine Wirkung, weil es eigentlich auch nur ein Tauschhandel war.
Denn: selbst wenn die Bananen für West erworben wurden, mußten sie im Binnenmarkt für Ost verkauft werden. Und schon waren die Devisen im Nichts verschwunden. Wir haben die Bananen praktisch mit Maschinen bezahlt.
Ob dazwischen noch eine Stufe Geldaustausch steht, ist unerheblich.
Schlimmer noch: die teuren Maschinen wurden unter Wert verscherbelt und danach wurde die Kohle in Bananen umgesetzt. Um die Bananen bezahlbar zu halten, kosteten sie einen Betrag, der niemals dem Westgeld-Einkaufspreis gleichkam.
Und aufgrund der Unkonvertierbarkeit der Ostwährung kann es auch gar keinen Wertausgleich geben, weil es keinen wirtschaftlich berechenbaren Wechselkurs gibt. Jeder Wechselkurs ist praktisch frei erfunden, um überhaupt einen Geldfluß zwischen den Menschen möglich zu machen. Volkswirtschaftlich ist es völliger Unsinn und absolut unwirtschaftlich.

Alle Klarheiten beseitigt?

standard

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Äh - nöh - so richtig nicht!Mit den unter Wert verscherbelten Waren stimme ich zu (u.a.Quelle und Neckermann trauern diesen paradisischen Zeiten sicher immer noch nach).
Aber: es wird wohl kaum alles eingenommene West-Money gleich in Bananen etc. umgesetzt worden sein. Das eine oder andere Milliönchen zur Kreditbezahlung sollte schon übrig geblieben sein - bis zur Wende war auch im Westen nicht von einer direkt bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit der Deutschen Demokratischen die Rede,daß stand erst danach plötzlich überall geschrieben...
Deluxe

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Ich sage ja auch nicht, daß die DDR pleite war. Aber so wie der Professor das berechnet hat halte ich es für sehr gewagt. Er hat nämlich den von mir beschriebenen Faktor einfach rausgelassen.

Und das mit dem Kresitablösen ist sicher schwer zu beurteilen für uns. Aber Devisen wurden für derart viele Dinge verbraucht, daß ich nicht weiß, ob da wirklich etwas zur Tilgung verwendet wurde.
In allen Ecken wurden Devisen gebraucht:
Kaffee, Südfrüchte, Industriegüter in ganz großem Stil, Rohstoffe undundund...
Ohne Devisenimporte wäre die Produktion in kurzer Zeit zusammengebrochen...

 

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