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Autor Thema: Teilzeitkrankschreibung??
standard

Beiträge: 19.357
Registriert am: 26.01.2002


Sicherlich haben´s viele mitbekommen: es gibt derzeit eine neue derartige Idee.
http://www.focus.de/finanzen/versicherungen/krankenversicherung/nur-ein-bisschen-krank-das-stunden-attest-teilzeit-krankmeldung-soll-kommen_id_5138248.html
Die Krankengeldkosten sollen ja (vor allem anno ´14) ach so enorm gestiegen sein (was ja in Anbetracht von deutlich MEHR ´soz.versicherungspflichtig Beschäftigten´, die ja immer wieder stolz propagiert werden, eigentlich gar nicht allzu sehr verwundern sollte...).
Nun wurde vom Ges.ministerium also ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches diese "großartige" Idee geboren hat: die sogen. "Teilzeit-Krankschreibung" also.
Das soll heißen, daß ein Arbeitnehmer zu 25, 50 oder gar 75% für arbeitsfähig erklärt werden könnte - in Absprache bzw. nach "Aushandlung" mit seinem behand. Arzt.
Ich halte das bei normalen Erkrankungen oder Verletzungen für eine ausgesprochen krude Idee - gefährlich in Sachen des wirklichen Auskurierens tatsächlich Kranker nämlich (Drückeberger und Simulanten wird man damit eh kaum wirklich abschrecken oder "bekehren" können...).
Besteht denn nicht so schon oft genug mehr als genug Druck, sich ja nicht erst oder (wenn, dann) bloß nicht auch nur einen Tag "länger als nötig" krankschreiben zu lassen?
Wie viele Leute schleppen sich denn regelmäßig tage- und wo.lang zur Arbeit, obwohl´s ihnen eigentlich absolut dreckig geht (sei es aus Angst vor dem Chef oder gleich um den Job, aus Rücksicht auf die Koll. oder auch nur deswegen, weil man "unentbehrlich" ist/sich dafür hält - oder es sich machen will)?
Was ich sehe ist, daß eben dieser Druck auf diverse Arbeitnehmer sich mit so einer "Teilkrankschreibungsmöglichkeit" (die als bereits bekanntes Hamburger Modell als reine Wiedereingliederungsmaßnahme nach längerer Krankheit ja durchaus ihre Berechtigung hat!) nochmals deutlich erhöhen würde - frei nach dem Motto: "Warum kommst Du denn nicht wenigstens 1/2 Tag arbeiten?"
Schlaue Sätze wie "Heutzutgage entscheidet der Patient, wie lange er krank ist" durfte ich z.B. mir - eineindeutig krank - vom diensthabenden Ausbeuter meines ersten Arbeitslebens auch schon anhören, als von solchen Teilzeitlösungen weit und breit noch keine Rede war. - Unschwer vorstellbar, wie solche Leute solche Optionen heutzutage auslegen (und wohl sehr gerne auch mal mißbrauchen) würden.
Ich halte diese Idee jedenfalls für ausgesprochen gefährlich - weil wiedermal einseitig nur auf dem Rücken der Patienten gespart werden soll. Und vor allem auf Kosten von deren Gesundheit.
Ich kann mir auch nicht recht vorstellen, wie das in der Praxis richtig funktionieren soll - und die Ärzteschaft wohl auch nicht...
http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/berufspolitik/article/901093/teilzeit-krankschreibung-idee-haut-aerzte-nicht-hocker.html

[Bearbeitet von standard (21-01-2016 - 23:26)]

Saartrabant

Beiträge: 241
Registriert am: 05.07.2014


Von dieser Idee höre ich jetzt zum ersten Mal, obwohl ich ein ziemlicher Nachrichtenjunkie bin. Hört sich nach reiner Symbolpolitik an - bei den meisten Erkrankungen dürfte es ohnehin nicht anwendbar sein. Fehlt einer z.B., weil er eine ansteckende Krankheit hat (Grippe, Diarrhoe...), könnte er sich zwar sehr wohl 2 Stunden täglich zur Arbeit schleppen. Aber er würde Kollegen und Kunden anstecken. Welchen gesundheitsökonomischen Sinn macht das?
Und bei den meisten Verletzungen ist die Arbeitsfähigkeit eher im Hinblick auf die Tätigkeit eingeschränkt, weniger zeitlich. Habe ich z.B. ein Bein in Gips, kann ich nach wie vor 8 Stunden im Büro sitzen - aber nicht auf einer Baustelle arbeiten. Nicht mal eine halbe Stunde.
Nur bei längeren Erkrankungen (z.B. nach Schlaganfall, Depression...) würde so etwas als Wiedereingliederungsmaßnahme Sinn machen. Aber das gibt's ja schon: Das von Dir zitierte Hamburger Modell.
Ist also vermutlich nur heiße Luft - kaum praktikabel, viel Ärger und kaum Nutzen. Schade um das Steuergeld für das Gutachten.
Deluxe

Beiträge: 14.007
Registriert am: 13.12.2001


Die Idee ist doch sowieso nur für Leute zu gebrauchen, die keine oder nahezu keine Wegstrecke zur Arbeit zurücklegen müssen.

Was ist denn mit den Pendlern, die einen großen Teil der Arbeitnehmerschaft ausmachen?

Meine 53km hin - und 53km wieder zurück, die ich jeden Tag fahre?
Für einen halben oder gar einen viertel Tag?

Völliger Blödsinn...

601 Uncrowned

Beiträge: 4.632
Registriert am: 23.12.2003


Mal im Ernst: Der Arzt, der einen Patienten zu 25% arbeitsfähig schreibt, wird sich über zu volle Wartezimmer keine Gedanken mehr machen müssen.

Da wird wieder ein Bürokratiemonster erschaffen, das einen winzigen Prozentsatz von Drückebergern und Arbeitsscheuen im Visier hat, aber wie ein Großteil aller Gesetzesentwürfe in diesem Land völlig an der Realität vorbeigeht und weder gesund noch sozial ist. Aber wat willste auch erwarten, wenn der Mensch nur noch nach Leistung bewertet wird...

framaus

Beiträge: 4.316
Registriert am: 05.05.2007


Wir sind halt Alle nur noch Nummern in irgendwelchen Rentabilitätsberechnungen .
Wenn ich SV-Urlaub in Anspruch nehme,dann ganz und nicht halb oder viertel.
Die Zeiten,wo ich auf den Arbeitgeber Rücksicht genommen habe,sind lange vorbei .
standard

Beiträge: 19.357
Registriert am: 26.01.2002


Und die Zeiten, wo Arbeitgeber Rücksicht auf ihre Angestellten genommen haben, wohl i.d.R. auch längst...
Und genau da liegt (wiedermal) der Kardinalfehler bei dieser neuen "Großartigkeit":
statt sich zu fragen, WARUM wohl immer mehr Leute (z.B. aus psychischen Gründen und somit oft auch für längere Zeit) krank werden, wird nur lakonisch bzw. verwundert festgestellt, DAß mehr Leute krankgeschrieben werden.
Wiedermal (und wie so oft im Ges.[un?]wesen und anderswo) wird versucht, das Symptom zu behandeln - statt sich um die Ursache zu kümmern...

[Bearbeitet von standard (22-01-2016 - 22:10)]

 

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