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Autor Thema: Die Wahl - Hessen und Niedersachsen
Murphy

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Da es in der DDR (ich kürze mit Absicht ab) auch Mathetik in der Schule gab, habe ich mal nachgerechnet....und es war 1989, als ich so alt war, wie Schumi heute. Welche Alternative gab es also für z.B. mich als Servicetechniker, wie das heute heißt, um den Kunden des Unternehmens, in dem ich arbeitete, die Maschinen zu montieren und zu reparieren, wenn diese ihren Sitz im Ausland haben. Ich musste mich mit dem "Regime" arrangieren.
Nix anderes ist es heute. Entweder tute ich ins gleiche Horn, oder suche mir eine Nische, wo es durchaus zu gesellschaftlichen Konflikten kommen kann. Diese Nischen heissen heute Rechte, Linke, Grüne und sonstwie. Solange die sogenannten Volksparteien, also die grössten, ihre Lobby in der Wirtschaft und somit deren Geldinteressen finden, ändert sich wohl sicherlich nichts.
Und entweder man arrangiert sich und bekommt seinen Krümel ab, oder eben nicht und man bleibt Aussenseiter der Gesellschaft.
magiceye04

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quote:

40 Jahre lang bespitzeln, betrügen, belügen, ...


Also die ersten 3 Disziplinen beherrscht ein gewisser Dr. Schäuble schon sehr gut. Glaubt er zumindest. Ich hoffe mal, mit dem Rest fängt er nicht auch noch an.

Zudem bin ich mir sicher, daß auch im Namen der Bundesrepublik gefoltert und gemordet wird, wenn auch vielleicht nicht in größerem Umfang.

Die Linken aus Prinzip zu verdammen, zeugt von einem engem Weltbild. In Frankreich haben Sozialisten sogar den Präsidenten gestellt und sind im Prinzip schon immer und ewig fester Bestandteil der Politik.
Und der Unterschied zu den Rechten: Die Linken haben Ideale und kämpfen eigentlich nur für eine gerechte Welt. Die Rechten haben die Menschenverachtung sogar im Parteiprogramm stehen.
Nur weil ein paar alte Knacker an der Realität vorbei versucht haben, ein System mit unmenschlichen Mitteln vor Veränderung zu bewahren, muß es doch noch lange nicht schlecht sein.
Man kann die Vergangenheit natürlich noch ewig mit sich rumtragen, wie die Idoten in Israel, die sich die Köpfe einschlagen, weil vor hunderten oder gar Tausenden von Jahren mal verfeindet waren.

In der DDR ist mehr oder weniger auch nur das passiert, wie in jedem anderen Staat: Wer Gesetze mißachtet hat, hat die dafür bekannte Strafe bekommen.
Und wie oben schon erwähnt, Bespitzelung gibt es inzwischen auch in der BRD in großem, wenn nicht sogar größerem Stil (Es wird ja seit diesem Jahr wirklich JEDE Kommunikationsverbindung überwacht, nicht nur die von potentiellen "Regime-Gegnern" und was man alles mit eingescannten Kennzeichen auf der Autobahn oder Funkpässen anstellen kann, darf sich jeder selber ausmalen, von der zwangsweisen Abgabe der Fingerabdrücke reden wir gar nicht erst...)

Obelix

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Tjo Schumi...
Dann bleibt dir leider nichts anderes übrig, als Carmen und dein Töchterlein mit nach Podelwitz zu bringen.
So ein Pech aber auch!
Marlene

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Hat ja jetzt nicht mehr viel mit Hessen zu tun, aber trotzdem spannend. Also solange die andern keine Mehrheit zustandebringen, bleibt Koch im Amt, so sieht es die hessische Verfassung vor. Da müßte Frau Y. eben doch mit den bösen Linken zusammenarbeiten, um ihn wegzubekommen. Hatten wir in den 80ern alles schon gehabt, damals mit einer linksradikalen Protestpartei namens "Grüne"... Sogar zweimal hat sich der Landtag selbst aufgelöst, weil nix mehr voran ging. Mal sehen, wie das jetzt wird. Ansonsten bin ich schon der Ansicht und wir alle haben Beispiele dafür, daß bei uns Wahlen und Abstimmungen wirklich etwas bringen. Nehmen wir allein die Wahl 2002: Hätte damals die Union gesiegt, wären wir mit unserm Kumpel Bush in den Irak gegangen, und, au backe! Der Wähler hat das verhindert! Wenn Honni hätte Krieg führen wollen, hätte das kein "Falter" je verhindern können, DAS ist der kleine aber wichtige Unterschied zu unserem gern gescholtenen System. Freilich ist das auch keine Garantie dafür, daß alles prima läuft, nur sind wir den Ideen unserer Regierenden nicht vollends hilflos ausgeliefert, zur Not machen wir sie, siehe Spaniens Entscheidung über den "Kriegshelden" Aznar, rückgängig. Was das bespitzeln anbelangt, sehe ich allein im Vorhandensein der Instrumente noch keine Parallele zum MfS: Es ist eine Sache, ob sich der Staat die Möglichkeit schafft, in engen Grenzen, z.B. durch parlamentarische Kontrollausschüsse oder Richtervorbehalt, gefährliche Elemente zu bespitzeln, eine andere ist es, ob er tausendfach unbescholtene Bürger ohne jede Kontrollinstanz durchleuchtet. Gleichwohl halte ich den Weg, auf dem sich Schäuble und Co bewegen, für problematisch: Mit dem Argument, Sicherheit gehe vor, werden ständig Eingriffsbefugnisse geschaffen, die offensichtlich nicht nötig sind, weil alle bisherigen Erfolge gegen den Terror mit den "klassischen" Mitteln erreicht wurden. ABER: Der Unterschied zur DDR besteht darin, daß hierzulande spätestens das Verfassungsgericht einem rechtsstaatswidrigen Gesetz den Garaus macht: Wo hätte es in der DDR je einen Fall gegeben, in dem ein von den Mächtigen gutgeheißenes Gesetz - sofern für die Repressalien überhaupt vorhanden - von einer unabhängigen Instanz annulliert worden ist? Man muß eben alles sehr differenziert betrachten, sollte sich niemals damit zufrieden geben, daß heute oder früher "alles schlechter" oder "alles besser" war bzw ist.
Und zur Linkspartei: Mir ist es weitestgehend schnuppe, was eine Partei vor 20 Jahren vertreten hat. Es zählt, wofür sie heute steht. Den Akzent stärker auf soziale Gerechtigkeit zu legen, ist ganz offensichtlich vielen ein Bedürfnis (weshalb auch die Union keine besondere Neigung mehr zeigt, ihr neoliberales Leipziger Programm vor sich herzutragen). Dies hat für die "Agenda-SPD" maßgeblich die Linke artikuliert und damit ja auch eine deutliche Änderung der gesamten politischen Ausrichtung bis hin in die Personalien (wo sind sie hin, die "Schröderianer"?) auch der Volksparteien erreicht. Sie hat also ihren von der Verfassung vorgegebenen Auftrag, an der politischen Willensbildung mitzuwirken, erfüllt: Deutschlands Parteien müssen wieder sozialer werden, wenn sie gewählt werden wollen. Deutlicher kann man kaum zeigen, wie Demokratie funktioniert.
Gruß,
Marlene
das moss

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Das Leben lässt eher selten mit Stammtischparolen und Schwarz-Weiß-Einteilung erklären.....

In die relativ emotionsarme Beschreibung meines Vorschreibers klinke ich mich gern ein....

magiceye04

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quote:

Was das bespitzeln anbelangt, sehe ich allein im Vorhandensein der Instrumente noch keine Parallele zum MfS: Es ist eine Sache, ob sich der Staat die Möglichkeit schafft, in engen Grenzen, z.B. durch parlamentarische Kontrollausschüsse oder Richtervorbehalt, gefährliche Elemente zu bespitzeln, eine andere ist es, ob er tausendfach unbescholtene Bürger ohne jede Kontrollinstanz durchleuchtet.


Das ist ja genau der Gag. Durch die Vorratsdatenspeicherung werden die Daten ALLER Bundesbürger gesammelt.
Mittels Genehmigungen, richterlicher Anordnung und dem sonstigen langwierigen Dienstweg ist es doch schon längt möglich.
Das Neue ist, daß nun flächendeckend Daten erhoben werden.
Die Kennzeichenscannung ist zwar noch in der Testphase, aber dürfte auch in spätestens 2 Jahren flächendeckend arbeiten, in einigen Bundesländern ist dies bereits der Fall.
Und was das Schlimmste an der ganzen Überwacherei ist: Die meisten Leute nehmen es einfach hin und spielen es herunter. "Ich habe doch nichts zu verbergen..."
Die Stasi hat zwar schon beim kleinsten Verdacht bespitzelt, aber eben auch erst dann, nicht schon vorsorglich wie jetzt.
das moss

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die Kameraden von der Inneren Scherheit rotieren vermutlich ob des Neides wie Turbinen im Sarg.... sofern sie die Daten nicht mitbeschaffen und sichten......
pwb601

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So ist es. Und überhaupt, was wäre das bitte für ein Geheimdienst, wenn sowieso jeder wüßte, wie sehr er die Leute bespitzelt? Wer im Vorhandensein eines Geheimdienstes keine Parallele zum MfS (und 100 anderen vergleichbaren Diensten) erkennt, ist genau das perfekte Schaf, das die heutigen Geheimdienste und die Regierung wollen
wilhelminus

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Nochmal kurz zurück zum Thema:

Ja, der NICHTWÄHLER, durch wen wird der eigentlich im Parlament vertreten?
(Wobei ich aber denke, dass ein großer Anteil Nichtwähler jene Zeitgenossen sind, denen sowieso alles am A… vorbeigeht.)

Weiter gefragt, wenn die Mehrheit des Volkes nicht mehr wählen geht, sollte man dann die Demokratie abschaffen?
Was würde an ihre Stelle treten? Einiges haben unsere Vorfahren ja schon ausprobiert: Monarchie im Territorialstaat, Monarchie im Nationalstaat, Diktatur eines Größenwahnsinnigen, Diktatur einer Partei.

Was noch fehlen würde, wäre eine Art Aristokratie. Sagen wir, die 30 „fähigsten“ (die Kriterien müsste man noch ermitteln) Deutschen regieren das Land. Wie auch immer dieses Gremium dann mit den üblichen Menschen- und Freiheitsrechte umgehen wird…

Da ich aber nicht unbedingt zu jenen 30 gehören werde, bin ich doch am Erhalt der Demokratie interessiert.

Weiterhin: Ich hege keine Ansprüche, dass eine der Parteien in Deutschland eine Politik macht, mit der die größtmögliche Mehrheit „unserer Menschen“ mitgehen kann. Das ist wenig, ich weiß.

Darum steige ich lieber eine Stufe tiefer und kämpfe mit meiner Wahlbeteiligung für die Aufrechterhaltung demokratischer Strukturen im Land. Dafür, dass Bürgerentscheide durchführbar sind, dass Demonstrationen stattfinden dürfen, dass es Meinungsfreiheit gibt.

Dies ist mein Plädoyer für Wahlbeteiligung – was auch immer man dann in der Wahlkabine anstellt.

Vorschlag 1: Hat man zwei Stimmen, verteilt man sie auf die beiden großen Volksparteien.

Vorschlag 2: Die große Volkspartei wählen, die sich in der Opposition befindet. Erfolgt ein Regierungswechsel, daraufhin wieder die gegnerische Partei wählen (ist zur Zeit der „Großen Koalition“ schwierig, gebe ich zu).

Vorschlag 3: Ungültig wählen. (So handelt mein Vater, wenn er sich von keinem Volksvertreter ausreichend vertreten fühlt). Also alle Kreise fein ausmalen, das Blatt unbearbeitet abgeben, was auch immer…

Protestwahl lehne ich ab. Obgleich ich kein Problem damit habe, dass die (neue!!!) Linke als „Stachel im Fleisch“ der Politik dafür sorgt, dass kein neuerlicher „Neoliberalismus“ durchs Land schwappt. Es wäre mir aber lieber, dass der links wählt, auch davon überzeugt ist.

Zum Thema NPD/DVU und Konsorten kann ich nur den Kabarettisten Andreas Rebers zitieren: „Noch schlechter ist man dran, wenn man ARM und RECHTS ist, dann ist man auch noch BLÖD.“

Deluxe

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quote:
(Wobei ich aber denke, dass ein großer Anteil Nichtwähler jene Zeitgenossen sind, denen sowieso alles am A… vorbeigeht.)

Hmmm - nunja, das mag gelten, solange die Wahlbeteiligung im normalen Rahmen liegt.

Was aber, wenn im vorliegenden Falle ganze 57% überhaupt HINgegangen sind?
Dann würde die knappe Hälfte der Wahlberechtigten zur Leck-Mich-Gruppe gehören. Und DAS kann ich trotz aller Massenverblödung (noch?) nicht recht glauben.

Zumal ich selbst mehrere durchaus intelligente (bisweilen sogar intellektuelle) Leute kenne, die (obwohl sie das System der Demokratie als solches sehr wohl begriffen haben) eben auch nicht mehr hingehen, weil sie unter den wählbaren Kandidaten jedweder Partei keine Volksvertretung mehr sehen.

Meine Privatmeinung:
Wahlen mit einer Beteiligung von unter 66,6%, besser wäre noch 75%, sollten von vornherein ungültig sein.
Aber da der Genosse Adenauer nebst seinen Mannen genau DAS mit der geringen Beteiligung schon im Hinterkopf hatte, gibts bei uns solche Regelungen natürlich nicht - und wirds auch nicht geben.

Und vermutlich würden wir dann wählen bis zum St.Nimmerleins-Tag.

[Bearbeitet von Deluxe (31-01-2008 - 15:29)]

wilhelminus

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... ich wollte "Anteil" nicht in Prozent ausdrücken...

Es gab schon mal Überlegungen, die Wahlbeteiligung zu steigern, mit einem kleinen Geldgeschenk für jeden aktiven Wähler...

... nicht uninteressant: statt üppig Wahlkämpfe auszustatten...

[Bearbeitet von wilhelminus (31-01-2008 - 16:00)]

standard

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Ich wär dafür! Außerdem ein direkter Beitrag zum Klimaschutz, weil man all die häßlichen Werbeplakate einsparen, Wahlkampftouren unterlassen und die mit all dem verbundene optische und akustische Umweltverschmutzung vermeiden könnte...
Deluxe

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Das hier verbreiten auch die sogenannten "großen Volksparteien" im Namen der Demokratie - und so leid es mir tut, aber ich halte es für mindestens so gefährlich wie den Rechtsextremismus, weil es nicht nur Geschichtsfälschung, sondern auch glatt Verleumdung darstellt.

Solange sich linke Kräfte eine solche Darstellung gefallen lassen müssen, ist die Demokratie unseres Landes von LINKS jedenfalls NICHT gefährdet...

www.youtube.com/watch?v=6-eHdIPofVc&feature=related

Wieviel Ignoranz gegenüber den sozialen Problemstellungen unserer gesellschaft ist eigentlich nötig, einen solchen Hetzfilm zu verzapfen? Wie wenig Wissen muß man über geschichtliche Vorgänge und Zusammenhänge haben, um diesen Mist zusammenzuscheiden?

Wieder einmal wirft man stalinistische Diktatur mit heutiger Linkspolitik in einen Topf, wieder werden historische "Fakten" erfunden (so z.B., daß es in der DDR kein Privateigentum gab), wieder einmal wird Sozialismus und soziale Gerechtigkeit mit Mauerschüssen, Folter und Diktatur gleichgestellt.

Warum sollte es eigentlich keinen Mittelweg geben?

Und zum Thema Wahlen:
Wenn die Parteien (und zwar ALLE!) wieder klare eigene und voneinander abgegrenzte Linien vertreten würden und wenn man nach den Wahlen das auch noch wahrnehmen könnte - dann würde die Wahlbeteiligung mit Sicherheit wieder steigen.

Solange aber vor der Wahl alle im Grunde das selbe reden und sich hinterher absolut nichts verändert, sehen die Menschen auch keinen Grund mehr, irgendwelche Kreuze zu machen.

Eine Wahl mit 57% Beteiligung ist jedenfalls keine Wahl im demokratischen Sinne.

[Bearbeitet von Deluxe (01-02-2008 - 16:31)]

601 Uncrowned

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Oh, sch...! DAS ist hart!
trabantini

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Was für'n Schnodderfilm! Da ist die Rede von Sozialsismus und die Filmemacher setzen das gleich mit Verfolgung von Andersdenkenden, Folter und Mord. In den Aussagen der gezeigten Politiker ist kein Wort von einer Dikdatur. Und Sozialismus hat auch nichts mit Dikdatur zu tun! Er hat nur den Ruf, weil damit einfachmal zu oft Schindluder getrieben wurde.
Keine Ahnung ob der Sozialismus wie er von Marx beschrieben wurde überhaupt funktionieren würde. Demokratie hingegen funktionert. Nur die Wirtschaftsform die wir im Moment haben - die krankt. Sie funktioniert immer nur für x Jahre nach einem Krieg. Es ist ein reines Geldspiel, Monopoly halt. Es werden kaum Werte geschaffen, aber der Geldfluss ist immens. Wer es schafft das meiste Geld über seinen Tisch wandern zu lassen, der gewinnt... und die Arm-Reich-Schere wächst. Bis zum Krieg, dann werden Werte vernichtet und das Spiel geht von vorne los. Traurig aber wahr.
Obelix

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Im Vergleich zur Quelle dieses Machwerkes ist die CSU linksradikal.
das moss

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ich habe das heute auf D-Radio gehört und möchte es niemandem vorenthalten......

Was darf man hierzulande denken, meinen und schließlich auch sagen? Alles, was einem so ins Hirn kommt? Jeder? Ohne Ansehen von Alter, Geschlecht und Haarfarbe? Im Prinzip ja, antwortet Radio Eriwan. Es kommt nur darauf an …

Ob zum Beispiel Wahlkampf ist. Dann darf Roland Koch nicht sagen, was statistisch zwar korrekt sein mag, aber zu wichtig ist, um im Wahlkampf thematisiert zu werden. Zu wichtig. Aha. Wahlkampf ist also mittlerweile auch von Politikern als so eine Art Castingshow erkannt worden, in der es nicht um Inhalte und um die besseren oder gar die richtigen Argumente geht, sondern höchstens darum, wie jemand aussieht, wenn er keine hat. Insofern hat Christian Wulff alles richtig gemacht. Er hat vorsichtshalber gar nichts gesagt, aber immer nett gelächelt dabei.

Roland Koch und seiner SPD-Gegnerin Andrea Ypsilanti ist übrigens gemein, dass sie ihren Wahlkampf mit Randproblemen bestritten haben. Mit der Behauptung, es gehe um Gerechtigkeit, hat die SPD einen Mindestlohn, ein ausgesprochenes Minderheitenproblem, zum Anliegen des ganzen Volkes erklärt. Auch hier ging es zuallerletzt um Argumente, sondern um den auch bei gutbetuchten Wählern beliebten Wohlfühleffekt. Wer wäre denn nicht für Gerechtigkeit? Genau.

Zyniker schließen aus solcherlei populistischen Kampagnen, dass dem Wähler die Wahrheit nun mal nicht zuzumuten sei. Der liebe eben Brot und Spiele, in denen die Sau, von links nach rechts durch die Manege getrieben, am Schluss und unter Applaus vom tapferen Schreiberlein erlegt wird. So denkt man jedenfalls dort, wo mit Skandalisierung Geschäfte gemacht werden, also in den Medien, wo die mutigen Verfechter der Meinungsfreiheit sitzen. Aber auch da kommt's drauf an, um wen oder was es sich handelt.

Wenn blonde Fernsehmoderatorinnen bedauern, dass das Mutterideal sowohl von den Nazis als auch von den 68ern zugrundegerichtet worden sei, worüber man sich immerhin unterhalten könnte, wird das solange falsch zitiert, bis alle Welt in Eva Herman, der Frau mit dem konservativen Familienbild, eine "Eva Braun" erkannt hat. Die Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit muss man sich schon leisten können.

Ganz anders ging es übrigens jüngst einem Kollegen von Eva Herman. Der hatte in einem Videoblog die Meinung vertreten, ein von zwei Jugendlichen mit, wie wir heute sagen: Migrationshintergrund, halbtotgetretener Rentner sei irgendwie selbst schuld an seinem Schicksal. Es sei zu erwägen, "ob es nicht zu viele besserwisserische deutsche Rentner gibt, die den Ausländern hier das Leben zur Hölle machen". Wenn der Spießer sein fürchterliches Gesicht zeige, entstehe eine "Atmosphäre der Intoleranz, vor deren Hintergrund man Gewalttaten spontaner Natur beachten muss." Hat der Mann sein eigenes Gesicht gemeint?

Aber nein. Schließlich handelt es sich um den Feuilletonchef der gemeinhin besonnenen Wochenzeitung "Die Zeit", Jens Jessen. Der kriegte zwar Schelte von der "Bild" und vielen Zeitlesern - aber seine Kollegen halten ihm tapfer die Stange. Weil er ein Mann ist? Keine blonden Haare hat? Eher ein linkes als ein rechtes Klischee bedient, da man bei "Spießer" und "Rentner" ja hierzulande vollautomatisch an Nazis denkt?

Dabei ist der perfide Mechanismus noch für ganz andere Diskriminierungen gut: Viele Deutsche haben den Juden selbst die Schuld an ihrem Schicksal gegeben, da sie es durch ihre "Frechheit" ja geradezu provoziert hätten. Und müssen Frauen, die sich aufreizend zeigen, nicht quasi naturnotwendig mit einer Vergewaltigung rechnen?

Ach, die böse Verwechslung der Opfer mit den Tätern hat viele Eltern. Und die Meinungsfreiheit hat viele Feinde. All jene etwa, die mit Gewalt drohen, weil sie sich durch die Meinung anderer in ihren Gefühlen verletzt sehen - ich denke da an den islamistischen Aufstand gegen die dänischen Mohammend-Karikaturen. Aber auch jene politisch korrekten Mitbürger, die eine nichts als faktische Aussage dann für eine Diskriminierung halten, wenn sie den sogenannten Migrationshintergrund jugendlicher Gewalttäter erwähnt - aber ungern hören, dass auch die Bezeichnung "Scheißdeutscher" nicht gerade für die Multikultiidylle wechselseitiger Toleranz spricht.

Meinungsfreiheit ist nicht nur schön. Meinungsfreiheit heißt, vieles ertragen zu müssen. Auch die Behauptung, bei der stacheldrahtbewehrten Grenze zwischen DDR und Bundesrepublik habe es sich um so etwas Liebenswürdiges wie einen antifaschistischen Schutzwall gehandelt. Ebenso die blödsinnigen Parolen auf schlecht besuchten NPD-Demonstrationen nebst den nicht minder originellen Wortmeldungen bei den dabei zum ebenso öden Ritual gewordenen Gegendemonstrationen.

Wo ist der Mann von der Größe Voltaires, der heute sagte: "Furchtbar, was Sie da erzählen. Aber ich gebe mein Leben dafür, dass Sie Ihren Unsinn auch weiterhin ungehindert verbreiten dürfen?" Aber das ist 18. Jahrhundert, also Geschichte.

Wir hingegen, in Zeiten, in denen es um weit weniger geht als damals, sind unduldsam geworden. Der Preis für diese Unduldsamkeit ist eine weichgespülte Kuschellandschaft, ein Land des Lächelns und der Unfreiheit, in der Wahrheit das ist, was man den Menschen nicht zumuten darf, weshalb sie niemand mehr ausspricht.


Quelle: Cora Stephan auf D-Radio

Obelix

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Cora Stephan? hmmm...mal sehen, was google zu dieser Person findet:

»Der Krieg an sich ist keine amoralische Sache«, erklärte sie in einem
Interview im Deutschlandfunk im Januar 1999, wo sie als »geläuterte
Alt-68erin« vorgestellt wurde. »Geläutert« sicherlich, weil sie unmittelbar
vor dem Angriff gegen Jugoslawien den Krieg akzeptabel fand. In ihrem Buch
mit dem Titel: »Das Handwerk des Krieges« (Berlin 1998) unterscheidet
Stephan zwischen guten und verbotenen Kriegen und begründet, weshalb die
Weltsituation in Zukunft den verstärkten Einsatz deutscher Soldaten
erfordere. Zitat: »Deshalb müssen wir Abschied von dem Kriegsbild nehmen,
das nach dem Zweiten Weltkrieg und während des Kalten Krieges in Deutschland
von der Linken gepflegt wurde.« Im Falle der westlichen Demokratien gehe es
nicht darum, »den Gegner zu dämonisieren und zu vernichten, sondern ihm
demokratische Werte zu bringen und ihn in die Staatengemeinschaft und ihre
Institutionen einzubinden«, also mit Intervention und Krieg westliche, d.h.
neoliberale »Ordnung und Organisation« zu bringen.

Sie ist Mitglied des publizistischen Netzwerks „Die Achse des Guten“, einem politischen Blog des islamophoben Bush-Anbeters Henryk M. Broder.
Unbedingt glaubwürdig, diese Frau Stephan!

standard

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Bei "Alt-68ern" pflegen sich bei mir im allgemeinen die Nackenhaare aufzustellen - auch bei derart "geläuterten"...

Nicht soo verkehrt, was die Dame da im Radio von sich gegeben hat - DDR und NPD in einem Atemzug zu nennen konnte sie sich aber beispielsweise auch nicht verkneifen...

StefanONE

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Was die Blödzeitung da fast jeden Tag an Hetzparolen gegen die Linkspartei loslässt, grenzt für mich schon an Missbrauch der Pressefreiheit. Man könnte meinen es sei ein Propagandablatt von CDU und SPD. So etwas gehört verboten. Eine Tageszeitung sollte neutral sein, so das sich der Leser eine eigene Meinung bilden kann!

Gruß
StefanONE

[Bearbeitet von StefanONE (07-02-2008 - 18:28)]

Schumi

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@ StefanONE:

DER war wirklich gut

Es heißt doch schon so: BILD Dir Deine Meinung

Wem die Bild nicht passt, der sollte ND oder die taz lesen

Deluxe

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Es hat in meiner Studentenzeit Tage gegeben, da habe ich mir früh am Kiosk "Neues Deutschland" und "Die Nationalzeitung" gekauft und beides öffentlich sichtbar in der Straßenbahn gelesen. War lustig, die Gesichter der wenigen zu sehen, die es kapiert haben...
limokombi

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@ deluxe

Das habe ich in der Schulzeit genauso gehandhabt, meine Deutschlehrerin erklärte mir daraufhin, das sie die Nationalzeitung von ihrem Sohn auch ab und zu liest...

[Bearbeitet von limokombi (08-02-2008 - 08:17)]

Deluxe

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Mittlerweile kaufe ich weder die eine noch die andere...

Das ND ist die teuerste und gleichzeitig seitenmäßig dünnste Tageszeitung schlechthin. Und in der NZ steht nur noch NPD-Sülze.

Im Alltag tut es die Freie Presse, aber fürs Abo ist sie mir denn doch zu teuer...20€ monatlich, von denen man letzten Endes nur 2€ wirklich "abliest"...

Schumi

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Stimmt. Tageszeitungen werden für die "breite Masse" immer unerschwinglicher. Auch die MZ/Naumburger Tageblatt hier bei uns kann ich mir momentan für mtl. ca. 18 EU nicht leisten. Zumal man - wie Deluxe schon sagte - eh nie alles komplett ausliest. Aber ich bin auf den meisten Presseterminen eh selbst vor Ort

Allerdings ziehe ich mir immer den Zorn meiner Dame zu, wenn ich mich beim sonntäglichen Kaffeetrinken bei meiner Mutter auf die Couch verdrücke und dann erstmal die Tageszeitungen der ganzen Woche aufarbeite

das moss

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tja, ein Teil der "geBILDeten" Bevölkerung hält das durchblättern der ensprechenden bunten Kapitalismus-Werbezeitschrift für ausreichend..... nun ja...
limokombi

Beiträge: 1.050
Registriert am: 17.06.2005


@deluxe

Die "NZ" ist vor allem sehr plakativ geworden, das war früher meines Erachtens zumindest etwas anders. Immerhin wurden dort Themen angesprochen, die in der ansonsten doch recht gleichgeschalteten bundesrepublikanischen Presselandschaft garnicht erst erwähnt wurden...

Da lese ich lieber die "Junge Freiheit", aber zu einem Abonnoment habe ich mich noch nicht durchringen lassen, was sich vor allem im Mangel an Geld und vielmehr noch an Zeit begründet. Ich belasse es daher auch beim gelegentlichen Kauf von Wochen- oder Tageszeitungen, für Lokalnachrichten steht außerdem ja noch "Dresden-Fernsehen", sowie der "MDR" zur Verfügung.

Schumi

Beiträge: 3.544
Registriert am: 08.11.2004


Auch wenn es eher in die Kategorie "gefunden im Netz" gehört, hier mal mein letzter Beitrag dazu, mit dem ich als Themenstarter die Sache hier etwas "rund" machen möchte.

Immer wieder Gänsehaut: www.youtube.com/watch?v=BU9w9ZtiO8I

[Bearbeitet von Schumi (22-02-2008 - 12:59)]

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